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Warum Geschichte der Biologie ?

Ist die Geschichte der Biologie wichtig?
Es kommt darauf an, welchen Anspruch man hat. Jedenfalls ist die wissenschaftliche Biologie mit ihren Methoden, Theorien und Institutionen – ähnlich wie ihr Gegenstand, die Organismen – aus funktionalen Erfordernissen allein nicht zu verstehen. Viele der heutigen Merkmale der Organismen ebenso wie der Biowissenschaften machen nur aus historischer Perspektive Sinn.

Die wirklich einzigartige Eigenschaft der Organismen ist ihre Fähigkeit, Erfahrungen aus mehr als drei Milliarden Jahren Evolution indirekt über den Prozess der Selektion in ihrem genetischen Programm zu speichern. Ganz ähnlich sind die Erfahrungen aus der Geschichte der Biologie indirekt über den wissenschaftlichen Ausleseprozess in ihre heutigen Theorien und Methoden eingegangen.

Aber dies ersetzt nicht das aktive Gedächtnis, die Geschichtsschreibung der Biologie. Eine der außerordentlichsten Fähigkeiten der Menschen besteht ja gerade in der individuellen und kulturellen Speicherung von Information, in der Produktion eines individuellen und eines überindividuellen Gedächtnisses. Obwohl ein Mensch, eine Gesellschaft, eine Wissenschaft auch ohne aktives Gedächtnis existieren kann, so bedeutet dies doch eine enorme Verarmung. Die Geschichte sollte gerade für eine zukunftsorientierte Wissenschaft wie die Biologie mehr sein als entbehrlicher Zierrat, den man leichtfertig aus der Hand gibt.

(aus T. Junker. Geschichte der Biologie: Die Wissenschaft vom Leben. München: C. H. Beck Verlag, 2004, S. 117-118.)

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Geschichte und Theorie der Biologie

Die Biologie gibt es als eigenständige, allgemeine Wissenschaft von den Lebewesen erst seit etwa zweihundert Jahren. Noch im 18. Jahrhundert wurde das, was wir heute Biologie nennen, von zwei nur lose miteinander verbundenen Gebieten vertreten, der Naturgeschichte und der Medizin. In der Naturgeschichte wurde alles Wissenswerte über die einzelnen Objekte aus den drei Naturreichen – Gesteine, Pflanzen und Tiere – zusammengetragen. Zur Entstehung der Biologie als übergreifender Wissenschaft von den Lebewesen kam es erst im 19. Jahrhundert. Eine wichtige Voraussetzung war die klare Unterscheidung zwischen lebenden und nicht-lebenden Objekten.

Dass Organismen grundlegend verschieden sind von unbelebten Dingen, wurde Ende des 18. Jahrhunderts allgemein anerkannt. Welche konkreten Eigenschaften aber machen ihre Besonderheit aus? Unterscheiden sich Organismen nur durch die spezielle Art und Anordnung ihrer Bestandteile von Maschinen oder gibt es ein eigenes Lebensprinzip?

Mit der Überzeugung, dass es ein spezielles Lebensprinzip oder einzigartige Eigenschaften der Lebewesen gibt, entstand auch das Bedürfnis nach einer eigenen Wissenschaft. Und man suchte nach einem Namen für sie. Einer der Vorschläge war ‚Biologie’, womit aber zunächst noch kein Sammelname für alle biologischen Disziplinen gemeint war. In der frühesten entsprechenden Verwendung des Wortes ‚Biologie’ bei Karl Friedrich Burdach (1776-1847), Gottfried Reinhold Treviranus (1776-1837) und Jean Baptiste de Lamarck (1744-1829) sollten nur die damals modernen biologischen Wissenschaften, vor allem vergleichende Anatomie, Physiologie und Embryologie, so bezeichnet werden. Ausgeschlossen waren dagegen die älteren Fächer Systematik und klassische Naturgeschichte. Im Lauf des 19. Jahrhunderts gewann der Begriff ‚Biologie’ dann immer mehr an Umfang, bis er zum reinen Kollektivbegriff wurde, der alle naturwissenschaftlichen Disziplinen umfasst, die sich mit Lebewesen beschäftigen. Dies spiegelt sich auch in dem heute zunehmend verwendeten Ausdruck ‚Biowissenschaften’ wider.

Auch wenn die Biologie als wissenschaftliche Disziplin also relativ jung ist, so gilt dies nicht für ihre Themen. Ganz im Gegenteil: Seit der Entstehung der Wissenschaft in der griechischen Antike waren Organismen ein bevorzugter Gegenstand der Forschung. Für welche ihrer Eigenschaften man sich besonders interessierte, hat sich im Laufe der Jahrhunderte stark gewandelt. Es gab aber immer eine überschaubare Anzahl großer Themen, die zu allen Zeiten das Interesse der Wissenschaftler geweckt haben: Die Entstehung der Organismen, ihre äußere Form und innere Struktur, ihre Funktionen und Verhaltensweisen, Fortpflanzung, Vererbung und Wachstum sowie Vielfalt, Zusammenleben und Geschichte der Arten.

(aus T. Junker. Geschichte der Biologie: Die Wissenschaft vom Leben. München: C. H. Beck Verlag, 2004, S. 7-8.)

Literaturhinweise zur Geschichte der Biologie finden sich am Ende dieser Seite

Links:
Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie
Biohistoricum (Museum und Forschungsarchiv für die Geschichte der Biologie in Neuburg a.d. Donau)

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Ausgewählte Publikationen zur Geschichte und Theorie der Biologie
















Uwe Hoßfeld & Thomas Junker.
„Anthropologie und synthetischer Darwinismus im Dritten Reich: Die Evolution der Organismen (1943),“
Anthropologischer Anzeiger 61 (2003): 85-114. 

Summary:
This essay will analyse early attempts to base anthropology on the theoretical model provided by the emerging synthetic Darwinism of the 1940s. In the first section we will investigate the historical context of the publication of one of the central documents of synthetic Darwinism in Germany: Gerhard Heberer’s Die Evolution der Organismen (1943). Anthropology was covered extensively in this book. The second section will give an impression of the live and work of the five anthropologists represented in Heberer’s book: Christian von Krogh, Wilhelm Gieseler, Otto Reche, Hans Weinert, and Gerhard Heberer. The third part of our paper will clarify whether these anthropologists shared a common theoretical outlook with the founders of synthetic Darwinism, and to what degree they were committed to the racial ideas of the Third Reich.

Zusammenfassung:
In unserem Essay analysieren wir frühe Versuche, anthropologische Fragestellungen mit dem theoretischen Modell des entstehenden synthetischen Darwinismus der 1940er Jahre zu verbinden. Im ersten Abschnitt schildern wir die Entstehung eines der zentralen Dokumente des synthetischen Darwinismus in Deutschland: Gerhard Heberers Die Evolution der Organismen (1943). Anthropologische Themen wurden in diesem Buch ausführlich behandelt; fast ein Viertel der Seiten war ihnen vorbehalten. Im zweiten Abschnitt wird eine kurze Einführung zu Leben und Werk der fünf hier vertretenen Anthropologen gegeben: Christian von Krogh, Wilhelm Gieseler, Otto Reche, Hans Weinert und Gerhard Heberer. Im dritten Teil unseres Essays werden wir untersuchen, ob diese Anthropologen gemeinsame theoretische Überzeugungen mit den Vertretern des synthetischen Darwinismus teilten und inwieweit sich dies mit den Rassenideen des Dritten Reiches vereinbaren ließ.

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Thomas Junker & Hannelore Landsberg.
„Die zwei Tode eines Naturforschers. Der Weg Julius Schusters (1886-1949) von der Botanik zur Biologiegeschichte,“
Medizinhistorisches Journal 29 (1994): 149-170.


"Berlin, September 1949: Aus dem Müggelsee bei Berlin wird die Leiche von Julius Schuster geborgen. Wenige Tage später erscheint in der Berliner Zeitung ein kurzer Nachruf auf Schuster, in dem von seinem Freitod die Rede ist, verursacht durch seine verzweifelte wirtschaftliche Lage nach der Währungsreform. [...]

1886 in München geboren, hatte sich Schuster mit 25 Jahren für Botanik in München habilitiert, verzichtete dann aber auf die Venia legendi und übersiedelte nach Berlin. Nach Jahren am Botanischen Museum in Berlin-Dahlem, am Reichsgesundheitsamt, an der Preußischen Staatsbibliothek und am Geologisch-paläontologischen Institut und Museum an der Universität Berlin wurde er schließlich in den 30er Jahren Dozent und Abteilungsvorsteher am neu gegründeten Institut für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften in Berlin. Diese Stelle war offensichtlich der erste erfolgreiche Versuch, die Biologiegeschichte an einer deutschen Universität zu institutionalisieren. Schuster hat zahlreiche Spuren hinterlassen, er hat ausgiebig publiziert, und doch war er bei seinem Tod bereits fast vergessen."

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Literatur zur Geschichte der Biologie (Auswahl)

Allen, G. E. Life Science in the Twentieth Century. New York/London: Wiley & Sons, Inc., 1975.

Coleman, W. Biology in the Nineteenth Century. Cambridge: Cambridge University Press, 1977.

Darwin & Co. Eine Geschichte der Biologie in Portraits
. Hg. von I. Jahn u. M. Schmitt. 2 Bde. München: C. H. Beck Verlag, 2001.

Geschichte der Biologie.
Hg. von I. Jahn. 3. Aufl. Jena/Stuttgart: G. Fischer, 1998.

Jahn, I. Grundzüge der Biologiegeschichte. Jena: G. Fischer, 1990.

Junker, Thomas. Geschichte der Biologie: Die Wissenschaft vom Leben. München: C. H. Beck Verlag, 2004.

Mägdefrau, K. Geschichte der Botanik. 2. Aufl. Stuttgart/Jena/New York: G. Fischer, 1992.

Mayr, E. The Growth of Biological Thought. Cambridge, Mass./London: Belknap Press of Harvard University Press, 1982 (deutsche Ausg.: Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt, 1984).

Nordenskiöld, E. Die Geschichte der Biologie. Übers. G. Schneider. Jena: G. Fischer, 1926.

Rádl, E. Geschichte der biologischen Theorien in der Neuzeit. 2 Bde. Leipzig/Berlin: Engelmann, 1909-13.

Singer, Ch. A History of Biology to about the Year 1900. 3d ed. London/New York: Abelard-Schuman, 1959. 

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Literatur zu einzelnen Themen aus der Geschichte der Biologie

Bowler, P. J. Evolution, the History of an Idea. Berkeley/Los Angeles/London: University of California Press, 1984.

Farley, J. The Spontaneous Generation Controversy from Descartes to Oparin. Baltimore: Johns Hopkins University Press, 1977.

Gayon, J. Darwinism’s Struggle for Survival: Heredity and the Hypothesis of Natural Selection [1992]. Transl. by M. Cobb. Cambridge: Cambridge University Press, 1998.

Gilbert, S. F., ed. A Conceptual History of Modern Embryology. Baltimore: Johns Hopkins University Press, 1994.

Gould, S. J. Ontogeny and Phylogeny. Cambridge, Mass./London: Belknap Press of Harvard University Press, 1977.

Hall, Th. S. History of General Physiology: 600 B. C. – 1900 A. D. 2 vols. Chicago/London: University of Chicago Press, 1975.

Hertwig, O. Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. 10. Aufl. Jena: G. Fischer, 1915.

Hofsten, N. v. „Zur älteren Geschichte des Diskontinuitätsproblems in der Biogeographie,“ Zoologische Annalen 7 (1916): 197-353.

Hölder, H. Geologie und Paläontologie in Texten und ihrer Geschichte. Freiburg/München: Alber, 1960.

Höxtermann, E. „Konstantin S. Merežkovskij und die Symbiogenesetheorie der Zellevolution.“ In: A. Geus, Hg. Bakterienlicht & Wurzelpilz. Endosymbiosen in Forschung und Geschichte. Marburg: Basilisken-Presse, 1998, S. 11-29.

Hughes, A. A History of Cytology. London/New York: Abelard-Schuman, 1959.

Jacob, F. La logique du vivant: Une histoire de l’heredité. Paris: Gallimard, 1970.

Jahn, I. „Einführung und Erläuterung zur Geschichte der Zellenlehre und der Zellentheorie.“ In Klassische Schriften zur Zellenlehre. Leipzig: Akad. Verlagsges., 1987, S. 6-44.

Junker, Th., & U. Hoßfeld. Die Entdeckung der Evolution – Eine revolutionäre Theorie und ihre Geschichte. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 2001.

Junker, Th. Die zweite Darwinsche Revolution: Geschichte des synthetischen Darwinismus in Deutschland 1924-1950. Marburg: Basilisken-Presse, 2004.

Kay, L. E. The Molecular Vision of Life: Caltech, The Rockefeller Foundation, and the Rise of the New Biology. Oxford/New York: Oxford University Press, 1993.

Kutschera, U. Evolutionsbiologie. Eine allgemeine Einführung. Berlin: Parey, 2001.

Lippmann, E. O. v. Urzeugung und Lebenskraft. Berlin: Springer, 1933.

Mayr, E., & W. B. Provine. The Evolutionary Synthesis. Perspectives on the Unification of Biology. Cambridge, Mass./London: Harvard University Press, 1998.

Moore, J. A. „Understanding Nature – Form and Function,“ American Zoologist 28 (1988): 449-584.

Needham, J. A History of Embryology. 2d ed. Cambridge: University Press, 1959.

Olby, R. C. Origins of Mendelism. 2d ed. Chicago/London: University of Chicago Press, 1985.

Provine, W. B. The Origins of Theoretical Population Genetics. Chicago/London: University of Chicago Press, 1971.

Rothschuh, K. E. Geschichte der Physiologie. Berlin/Göttingen/Heidelberg: Springer, 1953.

Rudwick, M. J. S. The Meaning of Fossils. 2d ed. Chicago: University of Chicago Press, 1985.

Russell, E. S. Form and Function: A Contribution to the History of Animal Morphology. London: Murray, 1916.

Sachs, J. Geschichte der Botanik vom 16. Jahrhundert bis 1860. München: Oldenbourg, 1875.

Stubbe, H. Kurze Geschichte der Genetik bis zur Wiederentdeckung der Vererbungsregeln Gregor Mendels. 2. Aufl. Jena: G. Fischer, 1965.

Watson, J. D. The Double Helix. A Personal Account of the Discovery of the Structure of DNA. Ed. G. S. Stent. New York/London: Norton, 1980.

Wuketits, F. M. Die Entdeckung des Verhaltens. Eine Geschichte der Verhaltensforschung. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 1995.

Zimmermann, W. Evolution. Die Geschichte ihrer Probleme und Erkenntnisse. Freiburg/München: Alber, 1953.

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